Erneuerbare Energien spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Energieversorgung umweltschonend und klimaverträglich zu gestalten. Auch das Rittergut Lucklum engagiert sich in diesem Bereich – unter anderem in Form von Photovoltaik, Windenergie sowie einer Hackschnitzelanlage zur Wärmeerzeugung. Und unserer Biogasanlage, die wir als einer von mehreren Gesellschaftern bei Warle in der Nähe von Schöppenstedt betreiben. Mit Leiter Matthias Nause sprachen wir über Funktionsweise, Vorteile – und die kleinen Tücken der „Betonkuh“.

Matthias Nause leitet die Biogasanlage bei Warle

Wenn das Handy von Matthias Nause klingelt, dann fällt sein Blick automatisch auf das Display. Allerdings nicht, weil ein Social-Media-Account nach Beachtung ruft, sondern sich möglicherweise wieder einmal die Biosgasanlage meldet. Bei der kleinsten Abweichung vom Prozess sendet die Steuerung eine Nachricht an den Anlagenleiter – und der muss zeitnah entscheiden, ob und in welcher Form er reagieren muss. Manchmal gibt es bis zu zehn Meldung pro Tag – ab und an auch mal einen Anruf in der Nacht. Dass sich die „Betonkuh“ – wie Nause die Anlage mit einem Augenzwinkern nennt – sich gar nicht meldet, ist eher die Ausnahme. Nicht überraschend, wenn man weiß, dass eine Biogasanlage rund um die Uhr läuft – und permanent überwacht werden muss. Seit Frühjahr 2012 betreibt die Güterverwaltung Reinau gemeinsam mit weiteren Gesellschaftern die Anlage in Warle. Und seitdem ist Matthias Nause quasi im Standby-Modus.

Es gibt keine Anlagen „von der Stange“

Dabei ist der Leiter der Biogasanlage eigentlich gelernter Landwirt. Nach einer Lehre und dem Besuch einer Fachschule kam er vor über 20 Jahren zur Güterverwaltung und arbeitete zunächst in Beierstedt, später in Lucklum und nun seit sieben Jahren in Warle. Das Wissen rund um die Biogasanlage hat er sich Stück für Stück angeeignet und immer weiter ausgebaut. „Ich bin ein absoluter Technikfreak“, sagt Nause. „Schon als Kind habe ich mich für Trecker und Technik begeistert. Und noch heute fühle ich die lockere Schraube am Gerät, bevor ich es überhaupt untersucht habe.“ Die Verbindung von Landwirtschaft und Technik bei der Biogasanlage begeisterte ihn von Anfang an. “Natürlich musste ich mich in das Thema erst einarbeiten, zumal jede Biogasanalage anders ist. Aber, die Herausforderung hat mich gereizt.“

Der erzeugte Strom geht direkt ins Netz

Die Aufsicht über Pumpen, Rührwerke und riesige Schaltschränke, aber auch sehr viel Dokumentation und Büroarbeit – das alles gehört zum Aufgabenbereich des Anlagenleiters. Jeden Tag muss die Biogasanlage zudem „gefüttert“ werden. Rund 30 Tonnen werden jeden Tag in die Vorratsbehälter gefüllt, davon rund 27 Tonnen Maissilage, drei Tonnen Hühnertrockenkot sowie etwa acht bis zehn Kubikmeter Schweinegülle. „Wir nennen die Anlage deshalb auch ‚Betonkuh’: Sie ‚frisst’ Mais und gibt Methan ab“, erläutert Matthias Nause mit einem Schmunzeln. Das Biogas entsteht dabei durch Vergärung, also durch einen kontrollierten biologischen Zersetzungsprozess. „Mit dem so produzierten Methan-Gas treiben wir Motoren an. An diesen wiederum hängt ein Generator, der Strom produziert“, erläutert Matthias Nause. „Der wird dann in das Netz des regionalen Energieversorgers eingespeist.“

Unabhängig von Wind und Sonne

Rund fünf Millionen Kilowattstunden produziert die Biogasanlage jedes Jahr. Damit können im Jahr circa zweitausend Haushalte versorgt werden. Auch die Abwärme der Anlage wird genutzt: Durch ein in rund 700 Meter Entfernung errichtetes Blockheizkraftwerk, das über eine Gasleitung an die Biogasanlage angeschlossen ist, werden die nahegelegenen Gewächshäuser einer Gärtnerei in Warle beheizt. Darüber hinaus entsteht im Prozess ein Substrat, dass wiederum als Dünger in der Landwirtschaft genutzt wird. „Insofern haben wir hier einen geschlossenen Nährstoffkreislauf“, betont Nause. „Ein weiterer Vorteil von Biogasanlagen: Sie sind unabhängig von Wind oder Sonneneinstrahlung und damit eine sinnvolle Ergänzung im Energiemix der Erneuerbaren Energieträger.“

Rund-um-die-Uhr-Betreuung

Damit die „Betonkuh“ ihre Arbeit zuverlässig verrichtet, ist allerdings permanente Kontrolle notwendig. Rund 250 Sensoren überwachen eine Vielzahl von Parametern wie etwa Öldruck, Temperatur oder andere Abläufe. Mit Hilfe einer Steuerung kann die Anlage Probleme nicht nur schnell melden, Matthias Nause kann sich zudem in das System einwählen und es von außen steuern. „Auf diese Weise lassen sich viele kleine Probleme relativ rasch lösen.“ Dennoch ist er froh, dass seine Familie soviel Verständnis für seine Aufgabe hat, denn: „Die Anlage kann mich immer anrufen, auch an Feiertagen oder abends – und dann ist eben auch mal schnelles Handeln erforderlich.“ Nur im Urlaub kann der Anlagenleiter das Handy auch mal ignorieren, denn dann kümmert sich eine Vertretung um die „Fütterung“ der „Betonkuh“. Hoffentlich vermisst Matthias Nause dann nichts. Aber, zum Glück gibt es ja noch Instagram, WhatsApp und Facebook…