„Eine fünf in Religion? Ehrlich?“. Amüsiert schaue ich in die Runde. Ich bin eine der Elternvertreterinnen bei der Zensurenkonferenz. „Was hat er denn gemacht oder besser nicht gemacht? Hat er nichts gefragt? Oder war er gar nicht da?“

Warum nicht mal Punkte für´s Ausprobieren?

Ich handle mir einen wütenden Blick der Religionslehrerin ein. Dann die nächste fünf. Ich staune. Ich weiß, dass Zensuren eine äußerst sensible Angelegenheit sind. Dennoch bin ich eine von denen, die immer noch daran festhalten, dass man mit einer barmherzigen Note in Religion vielleicht ein anderes Fach ausgleichen könnte. Zumindest der Haltung nach.

Szenenwechsel: Schriftliche Prüfung im theologischen Examen
Das Thema ist so komplex, er weiß schon jetzt, darauf findet er keine Antwort. Also, dann eben Fragen stellen, Frage über Frage, tief in den Grund hinein, in das, was die Welt im Innersten zusammenhält. Es ginge noch tiefer, immer tiefer, die „Sache mit Gott“ auszuloten. Hochkonzentriert. Sechs Stunden. Dann ist die Zeit vorbei! Er versucht hektisch einen Schluß zu finden und schreibt: “In Summe ist ja die Frage die eigentliche Methode der Theologie.” Der Professor korrigiert die Arbeit und schreibt am Ende darunter: „Das hatte ich befürchtet!“ Und gibt ihm dennoch eine zwei. Das wird ihn sein Leben lang begleiten..

Fragen über Fragen…
Ich fände es schön, wenn „Glaube“ ein Schulfach wäre. Vielleicht wäre es dann so etwas wie Chemie. Das mögen die Naturwissenschaftler irritierend finden, schließlich stützt sich der Glaube nicht gerade auf Beweisbarkeit und Logik, aber vielleicht wäre Glaube trotzdem so etwas wie ein Experimentierfach. Man würde viel mit Fragen und Hypothesen arbeiten. Mit Was-wäre-wenn-Gleichungen. Mit Elementen des Lebens. In eine Waagschale geworfen, unter dem Mikroskop betrachtet. Vieles müßte man mit Vorsicht genießen. Handschuhe und Schutzbrillen wären sicher empfehlenswert. Man muß nur einmal in die Bibel gucken und etwas vom brennenden Dornbusch und Feuersäulen lesen, dann weiß man warum. „Glaube“ wäre das Fach, in dem man Punkte fürs Ausprobieren bekäme. Und fürs Fragenstellen. Jedenfalls nicht fürs Wissen. Zeugnisse gäbe es zwischendurch. Von den Schüler*innen selbst.“

Seit einer Woche sind Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler wieder in der Schule. Wäre das etwas, für dieses neue Schuljahr, sich einmal vorzunehmen, die Fragen lieb zu haben und die Fragenden zu schätzen?

Bleiben Sie gesund, bleibt behütet,
Ihre und Eure Inka Baumann, Gutspfarrerin