Es ist Januar…
Mir fehlen die Worte.
Deshalb bediene ich mich beim Theologen Dietrich Bonhoeffer.

Dein Licht scheint in der Nacht

„Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Gott, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) hat dieses Gedicht aus einem Kellergefängnis in Berlin an seine Verlobte Maria von Wedemeyer geschrieben, im Dezember 1944. Da wußte er schon, das er sie nicht mehr wiedersehen würde. Ein viertel Jahr später wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg gehängt.
Von allem, was er schrieb, sind für viele diese Zeilen übrig geblieben: Von guten Mächten…
Manchmal ist es gut, sich im Glauben der anderen zu bergen.

„Und“, wurde ich gefragt, „würden Sie diese Worte auch den Menschen in Moria und Lipa sagen?“ Nein, da würde ich zupacken. Hoffentlich. Nachts die Ratten abwehren, Wasser aus den Zelten schippen, dafür sorgen, dass endlich genügend Medikament geliefert werden, wenigstens Paracetamol, Zelte winterfest machen, Decken, warme Jacken, feste Schuhe besorgen, dreijährige Kinder davor schützen, vergewaltigt zu werden, Mütter und Väter trösten…

Aber, das mache ich nicht. Ich sitze ja hier in meinem warmen Wohnzimmer. Stimmt, ich kann nicht ins Cafe gehen, hm. Stimmt, Gardinen muß ich im Internet bestellen, hm.

Ein gesegnetes, behütetes neues Jahr – für alle!
Ihre Inka Baumann, Gutspfarrerin