Am 1. Juni feierte Helmut Gockel, Geschäftsführer des Rittergutes Lucklum, sein 25-jähriges Dienstjubliäum in der Landwirtschaft. Eine gute Gelegenheit für einen Rückblick, eine Standortbestimmung und einen Blick in die Zukunft.

Vom “großen Eisenschwein” zum digitalen Agrarroboter

Herr Gockel, was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn Sie an Ihren Start in der Landwirtschaft vor 25 Jahren denken?
Landwirtschaft ist schon immer Teil meines Lebens, denn ich bin als Sohn eines Landwirts aufgewachsen. Der eigentliche Start meines beruflichen Lebens war aber der Antritt meiner ersten Stelle als Betriebsleiter. Im Rückblick denkt man sich da schon, dass man die Aufgaben doch mit viel Unbekümmertheit angegangen ist. Aber, das ist auch gut so, denn die jungen Leute bringen viele Ideen und neue Impulse mit ein. Das sehe ich ja jetzt auch bei uns im Betrieb. Das ist viel Dynamik.

Was mir natürlich auch in den Sinn kommt, ist der enorme Strukturwandel. Das beginnt bei der Technik: Die Schlepper, die früher die „großen Eisenschweine“ waren, sind heute die leichten Pflegeschlepper. Den klassischen 100 PS-Traktor gibt es fast gar nicht mehr. Eine wahnsinnige Entwicklung.

Dieser Wandel zeigt sich aber auch in den Dörfern – und das verursacht schon ein wenig Wehmut. In manchen Dörfern gibt es heute keinen einzigen Landwirt mehr. Und das macht sich auch gesellschaftlich bemerkbar, denn sie haben die Dörfer geprägt, den Zusammenhalt gepflegt, waren in der Feuerwehr oder als Bürgermeister engagiert. Das tun sie natürlich immer noch, aber eben nicht mehr überall und nicht in dem Maße wie früher. Der Trend zu immer größeren landwirtschaftlichen Betrieben zeigt sich ja überall. Und als Leiter eines solchen Unternehmens muss ich sagen: Ja, das ist wirtschaftlicher, effektiver, schneller…. Das lässt sich auch nicht mehr zurückdrehen. Aber, die Landwirte vor Ort sind ein wichtiger Faktor für das Leben im ländlichen Raum – und werden es hoffentlich immer bleiben.

Die Arbeit in der Landwirtschaft hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten dramatisch verändert. Was vermissen Sie? Welche neuen Entwicklungen schätzen Sie besonders?
Vieles hat sich verändert, aber die Menschen sind immer noch mit großer Leidenschaft dabei. Heute mit sehr viel mehr Fachwissen und nach wie vor mit großer Freude an ihrer Tätigkeit und Liebe zum Land. Das zeigt sich auch bei uns im Team, das mit riesigem Engagement dabei ist. Das gilt natürlich nicht nur für unsere Landwirte, sondern auch alle anderen, die beim Rittergut arbeiten. Ob Kultur, Kirche, Events, Gärtnern, Bauen, Buchhaltung oder Sekretariat.

Als absoluter Technik-Fan schätze ich den großen Fortschritt in der Landwirtschaft sehr. Das ist für mich ein enormer Antreiber. Große Trecker mit viel Komfort, jeder Menge digitalen Features und moderner Technik. Hier gab es in den vergangenen Jahren echte Erleichterungen für die Fahrer und viel Hilfe bei pflanzenbaulichen Entscheidungen. Was mich aktuell fasziniert sind die Agrarroboter, die uns im Ackerbau viel Handarbeit abnehmen können. Auch angesichts des Mangels an Aushilfskräften werden sie in Zukunft eine große Hilfe sein.

Was sich geändert hat und womit wir Landwirte wohl alle nicht glücklich sind, ist die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Hier gab und gibt es viele Missverständnisse. Da sehen wir als Güterverwaltung Reinau uns auch in der Verantwortung, aufzuklären, was wir tun, wie und warum wir das tun. So möchten wir auch in immer wieder in den Dialog zu den Menschen in der Region kommen und damit auch zu den Verbrauchern. Gegenseitiges Verständnis und der Austausch sind da meines Erachtens der Schlüssel.

Was reizt Sie besonders an der Arbeit für das Rittergut Lucklum und die Güterverwaltung Reinau?
Erst einmal haben wir eine enorme Bandbreite an Themen und ein tolles, interdisziplinäres Team. Es ist eine spannende Mischung aus klassischer Land- und Forstwirtschaft, ganz gleich ob bio oder konventionell, mit Kultur, Kirche, Gastronomie und ganz vielen spannenden Zukunftsthemen, die damit zusammenhängen.

Da sind zum Beispiel unsere Energiethemen wie Biogas, Photovoltaik, Windenergie und nachhaltige Wärmeproduktion mit Hackschnitzeln. Und ganz wichtig: unsere Umwelt- und Naturschutzthemen wie etwa die Biotopvernetzung, die Anlage von Blühstreifen oder unser brandaktuelles Thema Agroforsten, bei dem die Integration von Bäumen und Gehölzen für mehr Klimastabilität und Artenvielfalt sorgt. Wir sehen uns dabei in einer Vorreiterrolle, als Treiber für neue Ideen und gehen gerne und auch mutig neue Wege. Wir wollen unter Beweis stellen: Landwirtschaft, Naturschutz und Klimawandel lassen sich vereinbaren.

Was mich noch reizt, ist die Aufgabe, das Rittergut Lucklum als einen ganz besonderen Ort mitgestalten zu dürfen. Denn hier sind wir eher noch am Anfang der Entwicklung. Das sehe ich auch als Gemeinschaftsaufgabe, die wir allen voran mit den Eigentümern, dem Dorf und mit vielen anderen, die unsere Ideen und Werte schätzen, verwirklichen möchten. Davon ein Teil sein zu dürfen, macht sehr viel Spaß!

Wo sehen Sie das größte Potenzial bei der Entwicklung der Landwirtschaft?
Das größte Potenzial sehe ich in der Produktionstechnik im Ökolandbau, also der Biolandwirtschaft. Die Fortschritte dort werden meiner Ansicht nach zu einem starken Anstieg der Erträge führen und damit zu Ertragssicherheit. Und sicher wird sich der Einsatz von Nährstoffen und anderen Ressourcen künftig deutlich effektiver gestalten. Das heißt: weniger Diesel, weniger Energie, weniger Pflanzenschutz. Auch die Züchtung von neuen Sorten wird bei alledem eine große Rolle spielen. Der Einsatz von Robotern und die Nutzung von digitalen Möglichkeiten und großen Datenmengen zu deren Steuerung bergen weiteres Potenzial. So wird man noch gezielter düngen, den Boden noch effektiver bearbeiten, Unkraut beseitigen oder millimetergenau pflanzen können. Autonome Maschinen werden die Feldarbeit erledigen – die Betriebe weiter wachsen.

Und wo liegen Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen für die Land- und Forstwirtschaft?
Die sind natürlich vielfältig. Wie begegnen wir dem Klimawandel und Problemen wie Trockenheit oder Extremwetterereignissen? Wie können wir auch in Zukunft sicher ausreichend und gesunde Nahrung produzieren? Wie vereinbaren wir die vielen Anforderungen von Naturschutz, Politik, Gesellschaft und der eigenen, wirtschaftlichen Führung des landwirtschaftlichen Betriebes. Auf diese und viele andere Fragen werden wir Antworten finden müssen. Das wird nur im Austausch mit vielen anderen Beteiligten möglich sein. Und auch mit finanzieller Unterstützung, denn wer zum Beispiel Flächen stilllegen möchte, der muss auch dafür sorgen, dass der Landwirt weiter sein Auskommen hat. Hier sehe ich einen klaren Auftrag an die Politik.

Welche Schwerpunkte legt die Güterverwaltung Reinau für die Zukunft? Welche Projekte sind geplant?
Wir werden unsere landwirtschaftlichen Flächen rund um Beierstedt zum 1. Juli auf Biolandwirtschaft umstellen. Und viele andere Projekte forcieren, die dazu beitragen können, unsere Zukunft langfristig zu sichern. Wie etwa das Agroforsten, das wir ausweiten wollen. Sicher werden wir auch das Angebot an regionalen Produkten weiter ausbauen. Und wir möchten unsere Vorstellungen für die Entwicklung des Rittergutes weiter umsetzen. Es bleibt also auf jeden Fall spannend!

Vielen Dank für das Gespräch!