„Over the rainbow“, das sei doch kein Passionslied, hat jemand unserer Gutspfarrerin Inka Baumann geschrieben, nachdem er unser Video Passionsandacht zum Gründonnerstag auf dem Rittergut Lucklum“ auf YouTube gesehen hatte. „O, Haupt voll Blut und Wunden“ – DAS sei ein Passionslied. (Vielleicht wird das heute etwas für Insider, aber wenn Sie mögen, können Sie das Lied ja einmal googeln….). Lesen Sie im Folgenden, warum “Over the rainbow” für Inka Baumann so eine besondere Bedeutung hat.

Dem Unfaßbaren eine leichte Note geben

Für mich ist „O Haupt voll Blut und Wunden“ seit vielen Jahren mit der Erinnerung verbunden, dass einer unserer Teamer auf einer Konfirmandenfreizeit in Friedrichroda einen Passionsweg durch den Ort inszenierte, bei dem wir alle zehn Strophen dieses Liedes gesungen haben. Er war eben ein großer Paul-Gerhardt-Fan. Ich erinnere mich an peinlich berührte, kichernde Konfirmandinnen und ein Team, das auch nicht so recht wusste, wie ihm geschah, aber dass wir eisern entschlossen waren, ihn durch das Dorf, durch seine Liturgie und diese Passion zu begleiten.

„O Haupt voll Blut und Wunden“ ist für mich deshalb – so ist nun mal – für immer mit sehr viel Lächeln verbunden. „Nun gehören unsere Herzen ganz dem Mann von Golgatha“, das ist doch ein Passionslied, schreibt er mir weiter. Ja, das stimmt. Das werde ich auch ganz wehmütig! Wie gerne würde ich das endlich mal wieder mit anderen zusammen singen. „Nun in heilgem Stilleschweigen“ … wunderbar!

Die begnadigte Gemeinde sagt zu Christi Wegen Ja!
Ja, wir danken deinen Schmerzen,
Ja, wir preisen deine Treu.
Ja, wir dienen dir von Herzen,
Ja, du machst einst alles neu.
Für diesen letzen Vers könnte ich Friedrich von Bodelschwingh umarmen.

Damit das Unfassbare einfacher wir
Ich habe mich trotzdem für „Over the Rainbow“ entschieden. Ich hatte das Lied ewig nicht mehr gehört. Und dann auf der Beerdigung eines Kollegen. Es gab dem Schweren, dem für mich Unfassbaren eine leichte, schmunzelnde, verschmitzte Note. Zum Ende hin. Er war mein Mentor während meines Gemeindepraktikums. Und blieb es auch irgendwie. Im Sinn. Eine tiefe Jesus-Verbundenheit, die man bei ihm so nicht vermutete. Seiner Kirche bei aller Kritik tief verbunden. Unkonventionell, lebendig, tolerant, menschenlieb, frei. Ein Menschenfischer, wie ich ihn mir vorstellte.

Ein Vierteljahr vor seinem Tod traf ich ihn zufällig in Wöltingerode. Wir waren auf ganz unterschiedlichen Klausur-Tagungen. Ich ging an seinem Tisch vorbei. Ich habe ihn nicht erkannt. Der Krebs hatte ihn verändert. Ein Vierteljahr später informierte uns unsere Personalchefin über seinen Tod.

Wo Sorgen und Ärger dahinschmelzen
„Somewhere over the Rainbow. Way up high.“ (Irgendwo da drüben über dem Regenbogen, ganz weit oben.)
Someday I´ll wish upon a star. (Eine Tags werde ich einen Wunsch an einen Stern schicken.)
Wake up where the clouds are far behind me. (Und dort aufwachen, wo ich die Wolken ganz weit hinter mir lassen kann.)
„Where trouble melts like lemon drops.“ (Wo Sorgen und Ärger einfach so dahinschmelzen, wie Zitronenbonbons.)
Irgendwo da oben, über dem Regenbogen. Ich sehe uns da noch alle sitzen, wie erstarrt. Sehe seine Frau, ihre drei Jungs. Ein Jahr später ist auch sie tot. Sie war meine Supervisorin über eine lange Zeit.  Tief, klug, kämpferisch, aufmerksam, bejahend …

„Somewhere over the Rainbow…“ Wenn ich das Lied im Autoradio höre, fahre ich heute noch rechts ran – wenn’s möglich ist. Und schicke den beiden einen Gruß. Und ich bin noch immer fassungslos, dass Gott diese Menschen so früh zu sich genommen hat. Und ich bin total sauer, was er dieser Familie angetan hat und irgendwie auch mir und meinen naiven Vorstellungen vom Leben und Sterben. Und ich denke ganz oft: Wie verrückt mußt du sein, Gott, dass du diese beiden umwerfenden Menschen aus ihren Gemeinden, aus dem Leben geklaut hast. Ich verstehe das bis heute nicht. Dieses Lied ist für mich Schmerz und Kreuz und Passion. Und dann sehe ich ihn Ukulele spielen. Na, zumindest versuchen. Er hat das nie hingekriegt. Verschmitzt.

Wie wundervoll die Welt doch ist
Und dann sehe ich sie. Und denke, Ihr habt schon im Leben so viel Auferstehungskraft durch euch hindurchfließen lassen zu anderen hin… ihr tut es noch. „Ich sehe saftig grüne Bäume“ – so heißt es in dem Lied weiter:
„und tiefrote Rosen
Ich schau Ihnen beim Blühen zu,
Für dich und für mich
Und ich denke so bei mir…
Wie wundervoll und schön die Welt doch ist.“

Ehrlich…ich verstehe von Auferstehung wenig. Ich versuche es Jahr für Jahr zu erklären an Ostern. Es bleibt mir ein Mysterium. Aber ich spüre etwas… Und dafür bin ich dankbar! Und deshalb ist „Over the Rainbow“ für mich doch ein Passions- und Auferstehungslied. Ein ganz besonders Schönes! Bleiben Sie behütet! Ich gebe den Oster-Wunsch meiner Freundin an Sie und Euch weiter: „Auf ein baldige, kollektive Auferstehung aus dem Coronazeitalter….und dass wir bald was Schönes zusammen machen können.“

Ihre Inka Baumann,
Gutspfarrerin