Seit dem 12. Juni ist auf dem Rittergut etwas ganz Außergewöhnliches zu hören: Eine Klanginstallation des renommierten Künstlers Ulrich Eller, die er eigens für die Gutskirche und die Umgebung entwickelt hat. Sie ist noch bis zum 31. Juli wochentags von 14 bis 18 Uhr sowie am Wochenende von 11 bis 18 Uhr erlebbar (außer 16. und 23. Juli). Nach Lucklum und somit in das historisch aufgeladene Ensemble brachte Eller die Frage mit: Wie klingt Architektur, wie entwickelt sich ein Dialog zwischen Klang und Architektur? „Einstimmen“ – so der Titel seiner Installation, der wir uns im Folgenden gedanklich nähern. 

Gedanken zur Klanginstallation von Ulrich Eller

Das Entrée
Der Zugang zum Gutsinnenhof erfolgt im Alltag über den Seiteneingang. Diese architektonische Situation greift Ulrich Eller auf und verdeutlicht sie. Perkussive Klänge sind über Kopf angeordnet. Ganz nah und doch verborgen – eine „Klangdusche“. Begleitet von diesen Eindrücken durchschreiten BesucherInnen den Durchgang und gelangen zur zweiten Arbeit Ellers im Innenhof.

Klang im Innenhof und vom Kirchturm
Insgesamt sind 16 sich in die vorhandene Architektur kongenial einpassende Lautsprecher an zwei Traufen des Gutshauses angeordnet. Unregelmäßig und sich zunehmend verdichtend – vergleichbar mit Vögeln auf dem Dachfirst. Die Klänge schwellen an, werden leiser. Sie schwingen durch den Hof, erzeugen eine Atmosphäre. Sie füllen immateriell den Raum, der ihnen als Resonanzkörper dient. Je nach Standort ändert sich die Wahrnehmung.

Einen Kontrapunkt zum diesem Klang setzt die unterschiedlich gerichtete, zweiteilige Installation in der Laterne des Kirchturms. Aus luftiger Höhe kommen in unregelmäßigen Abständen kurze Klangsequenzen, entwickelt von mit Steinen und Sand bespielten Gitarrenseiten. Sie treten einerseits direkt in einen Dialog mit der Arbeit im Innenhof und klingen andererseits akzentuiert und zunehmend zart in die Umgebung des Dorfs hinein. Das farblich und optisch in die Situation eingepasste Werk operiert materiell mit Grenzen der Sichtbarkeit. Beim Verlassen des Gutsgeländes stellt sich vielleicht die Frage: Hören wir die Klänge noch? Was hören wir gerade?

In der Gutskirche
Die komplexe Ausstattung der Gutskirche überrascht BesucherInnen mit ihrer Fülle an Informationen. Vor allem die Emblematik mit ihren 156 Sinnbildern und 210 lateinischen Inschriften, aber auch die reiche Ausstattung insgesamt, fordern eine geistige Auseinandersetzung heraus. Darauf reagiert Ulrich Eller mit einer minimalistischen Klangskulptur: Aus einem grauen Korpus dringen tiefe Frequenzen. Sie erweitern die Wahrnehmung der Emblematik vom Sehen und Lesen um das Hören – und Fühlen. Die dunkelgraue Filzfläche des Korpus lädt zum Sitzen ein und spricht alle Sinne an, denn er ist auf Köpertemperatur erwärmt und beim Sitzen sind leichte Vibrationen spürbar. Positionsveränderungen oder weitere Sitzplatz-NutzerInnen verändern zudem den Klang. Der eigene Körper wird zum Resonanzraum. Leiblichkeit im Sakralraum. Hörende Betrachtung in Stille und Konzentration, bei der sich Assoziationsräume öffnen.

Über den Künstler
Ulrich Eller,1953 in Leverkusen geboren, war in den 80er Jahren ein bekannter Bluesgitarrist. Sein Studium absolvierte er an der Hochschule der Künste in Berlin. In Berlin lehrte er auch im Bereich experimenteller Architektur an der TU Berlin, 1994 wurde er zum Professor für das Fach „Plastik und Raum, grenzüberschreitende künstlerische Inszenierung“ an der FH Hannover berufen. Von 2004 bis 2020 hatte er die Professur für Klangskulptur und Klanginstallation an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig inne. Sein künstlerisches Oeuvre umfasst Zeichnung, Klang als skulpturales Material wie auch als Installation, oft auch im Kontext von Architektur. Ulrich Ellers Arbeiten waren und sind in zahlreichen Kunsträumen wie im öffentlichen Raum im In- und Ausland zu sehen und zu hören. Dazu gehören auch Installationen in Sakralräumen, darunter 2021 in St. Georgen in Wismar. Für 2024 ist eine Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig geplant. Zudem hat Ulrich Eller umfangreich zum Thema Klangkunst publiziert.

Weitere Informationen:
Website von Ulrich Eller: www.ulricheller.com

Rittergut Lucklum: Elisabeth Vorderwülbecke. Tel.: 05305-9120019 / e.vorderwuelbecke@reinaubewegt.de